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Natur vor der Haustür

Faszination alte Wälder – Hotspots der Artenvielfalt

„Alte Wälder sind besonders artenreich über alle Artengruppen hinweg!“ lautete das Fazit von Prof. Volker Zahner, nachdem er den zahlreichen Zuhörern seines Vortrags faszinierende Beispiele für die komplexen Zusammenhänge in diesem Ökosystem erläutert hatte.

Wälder sind langlebige Ökosysteme, die sich über Jahrhunderte hinweg entwickeln. Dicke, alte Bäume tragen in besonderem Maß zum Erhalt der biologischen Vielfalt bei. Sie bieten Mikrohabitate wie Totholz, Borke und Höhlen, auf die viele seltene Arten spezialisiert sind. Indem Laubwälder verrotten, liefern sie Nährstoffe für den Waldboden und liefern Vorteile für Wasserspeicherung, Schädlings- und Klimaschutz. Je dichter das Kronendach ist, umso mehr Feuchtigkeit kann gespeichert werden, und desto stärker sinkt die Bodentemperatur. Eine einzige Buche verdunstet 300 Liter Wasser pro Tag. Studien haben belegt, dass die Temperatur in Buchenwäldern um etwa 4°C niedriger ist als in ihrer Umgebung.

Doch aktuellen Daten des Bundesamts für Naturschutz (BfN) zufolge sind nur etwa ein Drittel der Wälder in Deutschland Laubwälder und der Anteil an Mischwäldern beträgt 13%. Unter den Laubbäumen dominieren Buchen, gefolgt von Eichen.

Welcher Schatz der Artenvielfalt sich in alten Wäldern verbirgt erläuterte eindrucksvoll Prof. Volker Zahner, Zoologe, Wildtierökologe und Entomologe an der Universität Weihenstephan-Triesdorf am 10. November 2023 im BUND Naturschutz- und Jugendzentrum Wartaweil auf Einladung der Kreisgruppe Starnberg und der Ortsgruppe Seefeld.

Seltene Arten als Spezialisten in alten Wäldern

Immer kleinere Waldgebiete und die moderne Forstwirtschaft machen den Organismen in ihrem ursprünglichen Lebensraum zu schaffen. Während eine Buche ohne weiteres 300 bis 400 Jahre oder sogar noch älter werden könnte, wird sie heute meist im Alter von 100 bis 140 Jahren gefällt.

So sind alte Buchenwälder aus Deutschland fast verschwunden, und mit ihnen reduzieren sich auch die Indikatorarten an Pflanzen und Tieren in diesen Biotopen. Zahner wies in dem Zusammenhang etwa auf Hain-Veilchen, Eichen- und Buchenfarn, Waldsauerklee, Hain-Gilbweiderich, Einbeere, Gegenblättriges Milzkraut, Hohlen Lerchensporn und das Schattenblümchen hin. Auch für spezialisierte Insekten und Vögel wird es in diesem Lebensraum immer schwieriger, beispielsweise, wenn nahrungsreiche Laubbäume wie etwa die Eiche mit der höchsten Biomasse an Raupen fehlen. Für den Vogelschutz spielen die Laubwälder eine wichtige Rolle, wobei Zahner zufolge die Dichte des Kronendachs den Lebensraum unterschiedlicher Vogelarten bestimmt. So bevorzugt der Zwergschnäpper ein sehr dichtes Kronendach, der Halsbandschnäpper mag es etwas luftiger und in noch lichteren Wäldern lebt der Gartenrotschwanz.

Lebenswichtige Komponente im Wald: Totholz

Totholz entsteht, indem Bäume absterben und das sich zersetzende Holz stehenbleibt oder am Boden zum Liegen kommt. Viele seltene Arten sind auf diesen Lebensraum spezialisiert. Pilze, Moose, Flechten, Insekten, Vögel und Fledermäuse finden hier Nahrung und geeignete Orte zum Nisten, Wohnen, Überwintern oder zur Weiterentwicklung. Der Baumläufer und der Kleiber etwa bauen ihr Nest gerne unter der groben Borke von Eichen oder der lockeren Rinde toter Buchen. Gleichzeitig finden sie hier reichlich Nahrung in Form von Insekten. Auch die Bänderschnecke, die auf Totholz lebt, ist für etliche Vogelarten eine lebenswichtige Nahrungsquelle. Das Kalzium ihres Schneckenhauses benötigen sie als Baustoff für die gute Qualität ihrer Eierschalen.

Zudem sind Eichen- und Buchenwälder mit einem hohen Anteil an Alt- und Totholz ein beliebter Ruheplatz für Fledermäuse. Am Beispiel der Mopsfledermaus erläuterte Zahner, wie sich das Tier in Spalten lockerer Rinde niederlässt. Doch sie ist auf zahlreiche Umzugsmöglichkeiten angewiesen, da sie sich nur so erfolgreich vor ihren Feinden schützen kann.

Besonders beliebt sind alte Bäume auch beim Specht, denn sie erleichtern ihm seinen Höhlenbau. Mit dem Schnabel klopft er den Stamm ab, um eine passende verrottete Stelle zu finden. Dort arbeitet er sich dann vor bis die Höhle fertiggestellt ist. Dabei ist seine Wohnung allgemein so beliebt, dass sie nach dem Auszug der Spechtfamilie sofort wieder von anderen Vögeln wie etwa der Hohltaube oder auch von einer Fledermaus besetzt wird. Denn im Inneren der Bäume findet sich reichlich Nahrung in Form von weiteren Mitbewohnern: verschiedene Käfer wie der Eremit oder der Gemeine Rosenkäfer, die Buckeltanzfliege, der Pseudoskorpion oder der Feuerschmied leben hier.

Die Chance, dass Höhlenbewohner in unseren Wäldern allerdings tatsächlich eine geeignete Wohnung finden ist relativ gering, wenn die Bäume jünger als 100 Jahre sind. Eine Studie belegt: Je älter die Bäume, desto größer der Anteil an Höhlen.

Auch wenn Bestrebungen im Gang sind, das Alter von Wäldern zu steigern, ein Zeitraum von 100 oder 200 Jahren ist lang. Um die Artenvielfalt in unseren Wäldern aktuell zu fördern, werden als mögliche Zwischenlösung derzeit einige jüngere Bäume auf einer bestimmten Höhe abgesägt. In der Folge sterben sie ab, liefern Totholzstämme und dienen damit als Habitat für vielfältiges neues Leben.

Förderung für Verzicht auf Holznutzung

Die Kreisgruppe hofft nun, dass sich Gemeinden und Privatwaldbesitzer dazu motivieren lassen, mit ihrem Wald möglichst viel für die Artenvielfalt und das Klima zu tun, indem sie so viele Bäume wie möglich von der Holznutzung ausnehmen und alt werden lassen. Es gibt dafür sogar eine Förderung über das Vertragsnaturschutzprogramm Wald (VNP Wald). Hierzu beraten der zuständige Förster und die Untere Naturschutzbehörde.

(Text und Fotos vom Vortrag: Ch. Starostzik)